Theater der Sorge

Theater der Sorge ist die Weiterführung und Transformation von Brechts Lehrstückmodell in die heutige Zeit.*

Es lässt sich als 3-Phasen-Modell beschreiben:

In der 1. Phase geht es um die gemeinschaftliche Herstellung einer Laborsituation, in der ein Theaterstoff mit aktuellen politischen und theoretischen Debatten verknüpft wird und heterogene Lebens-, Denk- und Arbeitsformen in diskursiver und spielerischer Weise erprobt werden. Dies soll zur Selbstverständigung und möglichst hierarchiefrei geschehen. Während dieses Laboratoriums der sozialen Imagination gibt es keine Zuschauer, sondern nur Beteiligte.

Die 2. Phase bildet die Konzeption, Vorbereitung und Durchführung einer öffentlichen theatralen Ausstellung, die auf den kollektiven Erfahrungen und Ergebnissen des Laboratoriums basiert. Dadurch können gesellschaftliche Resonanzen erzeugt und die im Rahmen des Workshops erarbeiteten Positionen gefestigt werden.

In der 3. Phase geht es dann um die Ausarbeitung einer Inszenierung, die sich – sowohl inhaltlich als auch ästhetisch – aus den beiden vorangegangenen Phasen speist. Im Anschluss an jede öffentliche Vorstellung findet eine Diskussion mit dem Publikum statt, um offen für weitere Bearbeitungen, Überprüfungen und Aktualisierungen zu bleiben und zu vermeiden, dass die Inszenierungen zum Werk erstarren.

In Anlehnung an Brechts späte Überlegungen zu den Rundfunkapparaten, wird mit Theater der Sorge auch ein auf Neuerungen (nicht Erneuerungen) abzielender Ansatz konstruktiv-antagonistischer Kooperationen mit Institutionen verfolgt.

Das Modell eines Theaters der Sorge, welches politisches Theater gleichermaßen über Form, Inhalt und Arbeitsmethoden definiert, lässt sich – wenngleich im speziellen Kontext der Arbeit am Fatzermaterial und in der Athener Luft entstanden** –, aufgrund seiner Dynamik auf jegliche thematische Ausrichtung und ortsspezifische Gegebenheit anwenden.

Das zweite Laboratorium der sozialen Imagination fand unter dem Titel PROMETHEUS ENTFESSELN! – 1. Mülheimer Zukunftslabor vom 12.-19. April 2015 in den Räumen des Ringlokschuppen Ruhr statt. Anhand des Prometheus-Materials und den aktuellen Kontroversen um einen neuen Akzelerationismus beschäftigten sich die EGfKA und ihre Gäste mit der prekären Lage von Kultur- und Wissensarbeitern.

* Eine ausführliche theoretische Konzeptualisierung des Ansatzes findet sich in: Florian Thamer / Tina Turnheim: Theater der Sorge. Politisch Politisches Theater machen. In: Matthias Naumann / Mayte Zimmermann (Hrsg.): In Gemeinschaft und als Einzelne_r. Mülheimer Fatzerbücher 3. Berlin: Neofelis 2014, S. 181-200.

** Ein bunter Einblick in die Produktion FATSA/KOINA:Athen und das vorangegangene Labor im besetzten Athener Theater Embros findet sich in: Abteilung T/A/T der EGfKA / Kompliz_innen: (Theater)Arbeit am Widerstand. Zwischen Verweigerung und Organisation. In: Matthias Naumann / Mayte Zimmermann (Hrsg.): In Gemeinschaft und als Einzelne_r. Mülheimer Fatzerbücher 3. Berlin: Neofelis 2014, S. 145-180.

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